EHF Champions League

Der stille Held

EHF / es

Der stille Held

Es gibt unzählige Helden, gerade im Sport. Da gibt es den Schönen, der – so ist es halt – allein wegen seines Aussehens schon Ansehen genießt. Es gibt den Verlässlichen, Spieler, die immer und von überall treffen. Es gibt die Retter, die immer genau in den wichtigen Momenten über sich hinauswachsen.

Eine solche Liste könnte fast endlos weitergeführt werden, und ein sorgfältiger Blick auf die Mannschaft aus Paris zeigt, dass sie Spieler aller
Art in ihren Reihen hat – allerdings auch einen, der viel seltener anzutreffen und deshalb umso wertvoller ist: der stille Held.

Karabatic, Omeyer und Hansen stehen im Rampenlicht, aber Luc Abalo ist der Stille. Er lebt sein Spielerleben mehr im Schatten dieses mit Stars gespickten Teams und schnellt nur manchmal wie eine Schlange hervor, um sich dann schnell wieder zurückzuziehen.

Heimkehr nach Frankreich

Seit seiner Rückkehr nach Paris 2012 fühlt sich der 31-jährige Rechtsaußen wie Zuhause. Geboren in Ivry sur Seine, wuchs er an der Stadtgrenze zu Paris auf. 2008 wechselte er nach Spanien und spielte vier Jahre lang für Ciudad Real.

In dieser Saison war er maßgeblich daran beteiligt, dass sich PSG zum ersten Mal für das VELUX EHF FINAL4 qualifizierte, doch den Ruhm überlässt er gerne anderen. „Luc ist ein sehr guter Spieler. Jemand, auf den man sich in guten wie in schlechten Zeiten voll verlassen kann“, sagt Welthandballer Nikola Karabatic über seinen Mitspieler.

Auf den Außenpositionen, wo die Anzahl der Ballkontakte je nach Spielverlauf begrenzt sein kann, ist es für jedes Team wichtig, einen Spieler zu haben, der, wenn er den Ball hat, auch trifft. Und während Abalos Mitspieler genau dieses Vertrauen haben, weiß Abalo
selbst, dass er alle körperlichen Voraussetzungen erfüllt, um dieses Vertrauen zu rechtfertigen.

Seine Arme sind so flexibel wie Gummi und wenn er springt, scheint er erst in der Luft zu stehen, um dann aus praktisch undenkbarer Lage zu werfen. Für Abalo, der Malerei, Musik und alles Kreative mag, ist das gar nicht so bemerkenswert; bei den Fans steht er allerdings seit seiner Rückkehr ganz oben auf der Beliebtheitsskala.

Beim VELUX EHF FINAL4 ist er ebenfalls ein Rückkehrer. 2010, 2011 und 2012 war er mit Ciudad Real und Atletico Madrid dabei – verließ
letztendlich aber immer als Verlierer das Feld. 2009 gewann er die EHF Champions League, doch das war im alten Format, als noch Hin- und
Rückspiel im Finale entschieden.

Abalo kann darüber locker sprechen: „Ich war dreimal dabei und habe dreimal verloren. Mich muss man also nicht fragen, wie man in Köln gewinnen kann“, witzelt er, um dann gleich wieder ernst zu werden. „Das Wichtigste ist, dass man physisch frisch bleibt. Wenn man zu viel Energie im Halbfinale verliert, ist nichts mehr fürs Finale übrig. Man muss fit und gelassen sein. Je gelassener man ist, desto weniger Energie verschwendet man unnötig.“

"Erreicht haben wir noch nichts"

Abalo scheint in dieser Saison kaum Druck zu spüren. Auf dem Papier steht er bei 52 Toren – nicht einmal die Hälfte seines Mannschaftskameraden
Mikkel Hansen – doch in punkto Effizienz ist Abalo spitze.

„Er hat in den vergangenen Jahren gelernt, dass es viel effizienter ist, manche Dinge einfach zu machen, anstatt einen komplexen Weg, nur weil man das Können besitzt, zu gehen“, sagt der französische Nationaltrainer Claude Onesta über seinen Schützling. „Das passiert mit Spielern, die so ein unglaubliches Talent mitbringen. Manche Dinge erscheinen ihnen zu einfach, und dann machen sie sich selbst das Leben schwerer als nötig.“

Abalos Schläue im Spiel passt zu seiner Abgeklärtheit, wenn er über das VELUX EHF FINAL4 spricht. „Im Vergleich mit Kielce, Veszprém und Kiel sind wir die Neulinge in Köln. Alle waren schon da, wir noch nicht. Es ist völlig egal, wie viele Topstars für uns auflaufen, erreicht haben wir noch nichts.“

Manch einer könnte denken, dass eine Mannschaft mit Spielern wie Nikola Karabatic, Thierry Omeyer, Daniel Narcisse und Igor Vori, allesamt schon EHF-Champions-League-Sieger, mehr als nur Außenseiter ist, doch Abalo widerspricht.

„Wir müssen bereit sein zu kämpfen. Wir müssen denken, dass unser Gegner besser ist als wir. Für mich, für uns sind wir nicht die Favoriten,
weil wir als Team noch nichts erreicht haben. Was aber auf der anderen Seite nicht heißt, dass wir nicht die höchsten Erwartungen an uns selbst hätten.“

Es wird nicht das Ziel von PSG sein, während des ersten Auftritts in Köln nur die Atmosphäre zu genießen. Die Spieler, die schon einmal EHF-Champions-League-Sieger waren, wollen noch einmal ganz oben stehen. Alle anderen werden 100 Prozent für ihren ersten Titel geben.

„Wir Spieler wollen alle gewinnen, auch wenn es für den Club vielleicht erst einmal genug war, das FINAL4 zu erreichen“, sagt Abalo. „Aber es sind vier Topclubs mit all ihren Topspielern vor Ort, so dass wir uns keinen Moment der Schwäche erlauben können. In punkto Taktik und Spielverstehen
wird es kaum einen Unterschied zwischen Kiel, Kielce, Veszprém und uns geben. Die, die schon einmal in Köln dabei waren, wissen, wie schwer dieses Wochenende ist. Jeder einzelne Spieler muss Topform zeigen.“

Um es mit anderen Worten zu sagen: Für einen Pariser Erfolg beim VELUX EHF FINAL4 2016 werden alle Helden der Mannschaft gebraucht. Der Schöne, der Verlässliche, der Retter und natürlich Luc Abalo, der stille Held.

Latest news

More News